Quantencomputer – das ist heute machbar

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Quantencomputer Nahaufnahme
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Quantencomputer galten lange als theoretisches Konstrukt – als faszinierendes Konzept an der Schnittstelle von Physik, Informatik und Mathematik. Was einst in Forschungslaboren als Vision begann, nimmt heute immer konkretere Formen an. Große Technologiekonzerne, Universitäten und spezialisierte Start-ups arbeiten weltweit daran, die Grundlagen des Quantencomputings in praxistaugliche Anwendungen zu überführen. Inzwischen sind erste Quantenprozessoren im Einsatz, Quantenalgorithmen werden getestet und spezifische Aufgabenbereiche identifiziert, bei denen klassische Rechner an ihre Grenzen stoßen. Die Entwicklung verläuft rasant, bleibt jedoch hochkomplex. Denn Quantencomputer funktionieren nach völlig anderen Prinzipien als herkömmliche Computer – ihre Leistungsfähigkeit ergibt sich nicht aus Taktfrequenzen oder Transistorenzahl, sondern aus den Gesetzen der Quantenmechanik. Dennoch ist heute bereits erkennbar, wo ihr praktischer Nutzen liegt, welche Technologien einsatzbereit sind und wie sich das Feld in naher Zukunft weiterentwickeln könnte.

Wie Quantencomputer funktionieren

Im Kern unterscheidet sich ein Quantencomputer grundlegend von klassischen Rechensystemen. Während herkömmliche Computer mit Bits arbeiten, die entweder den Zustand 0 oder 1 annehmen, basieren Quantencomputer auf sogenannten Qubits. Diese können durch Überlagerung (Superposition) gleichzeitig mehrere Zustände repräsentieren. Zusätzlich können Qubits miteinander verschränkt sein, was bedeutet, dass der Zustand eines Qubits den Zustand eines anderen beeinflusst – unabhängig von deren räumlicher Entfernung. Durch diese beiden Eigenschaften – Superposition und Verschränkung – lassen sich bestimmte Rechenoperationen deutlich schneller durchführen als mit klassischen Systemen.

Die physikalische Umsetzung von Qubits ist jedoch äußerst anspruchsvoll. Je nach Architektur werden sie beispielsweise durch supraleitende Schaltkreise, Ionenfallen, Photonen oder Spins realisiert. Jede dieser Methoden bringt spezielle Herausforderungen mit sich, etwa hinsichtlich Stabilität, Erweiterbarkeit oder der Notwendigkeit extrem tiefer Temperaturen.

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Der aktuelle Stand der Technik

Weltweit arbeiten Forschungsteams daran, Quantenprozessoren mit immer mehr Qubits zu bauen. Die bekanntesten Ansätze stammen unter anderem von IBM, Google, Intel und diversen Start-ups wie IonQ, Rigetti oder PsiQuantum. Systeme mit über 100 Qubits existieren bereits, auch wenn sie noch nicht für allgemeine Berechnungen geeignet sind. Diese sogenannten Noisy Intermediate-Scale Quantum-Systeme (NISQ) sind nicht fehlerkorrigiert und eignen sich vor allem für experimentelle und spezialisierte Aufgaben.

Erste Durchbrüche gab es im Bereich der sogenannten „Quantenüberlegenheit“, bei der ein Quantencomputer eine Rechenaufgabe löst, die für klassische Supercomputer nicht praktikabel ist. Google konnte 2019 eine solche Demonstration vorlegen – wenn auch mit einer Aufgabe, die keinen direkten Anwendungsbezug hatte. Dennoch zeigte der Versuch, dass Quantenprozessoren unter bestimmten Rahmenbedingungen neue Rechenwege eröffnen.

Anwendungsbereiche mit Potenzial

Die Stärken von Quantencomputern kommen vor allem dort zur Geltung, wo klassische Rechner schnell an ihre Leistungsgrenzen stoßen. Dazu gehört die Simulation komplexer quantenmechanischer Systeme, wie sie in der Materialforschung, Chemie oder Pharmazie benötigt werden. Hier können Reaktionen auf molekularer Ebene präziser nachgebildet werden, was beispielsweise die Entwicklung neuer Medikamente oder Werkstoffe beschleunigen kann.

Auch in der Optimierung großer kombinatorischer Probleme, etwa in der Logistik, Verkehrsplanung oder Finanzmodellierung, werden Fortschritte erwartet. Quantenalgorithmen wie der Grover- oder Shor-Algorithmus zeigen, dass bestimmte Such- und Faktorisierungsaufgaben theoretisch deutlich schneller lösbar sind. Insbesondere Shors Algorithmus besitzt weitreichende Auswirkungen auf die Kryptografie, da er die heute gängigen Verschlüsselungsverfahren grundsätzlich angreifbar machen könnte – sobald skalierbare und störresistente Quantencomputer verfügbar sind.

Technologische Hürden

Trotz aller Fortschritte bleibt der Weg zum universell einsetzbaren Quantencomputer herausfordernd. Zentrale Herausforderungen bestehen in der Fehlerkorrektur, der Kohärenzzeit von Qubits und der technischen Stabilität großer Systeme. Quanteninformation ist extrem anfällig für äußere Einflüsse – selbst kleinste Störungen können Rechenschritte verfälschen. Daher wird intensiv an Verfahren gearbeitet, um zuverlässigere Qubits (Logical Qubits) zu erzeugen, die aus mehreren physikalischen Qubits bestehen. Dies erfordert allerdings eine erhebliche Vergrößerung der Systeme.

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Zudem ist die Programmierung von Quantencomputern grundverschieden von der herkömmlichen Softwareentwicklung. Neue Softwaremodelle, Frameworks und Algorithmen müssen entwickelt werden, damit die Hardware überhaupt genutzt werden kann. Unternehmen wie Microsoft, IBM und Google investieren daher nicht nur in Hardware, sondern auch in Open-Source-Software und Entwicklungsplattformen, um einen Zugang zu schaffen und Anwendungen zu erproben.

Hybride Systeme als Brückentechnologie

Da Quantencomputer aktuell nur für sehr spezielle Aufgaben einsetzbar sind, gewinnen hybride Modelle an Relevanz. Dabei übernehmen klassische und Quantenprozessoren gemeinsam die Rechenarbeit: Der klassische Rechner steuert die Prozesse, während bestimmte Teilaufgaben vom Quantencomputer bearbeitet werden. Solche Ansätze werden bereits in der Forschung zu neuen Materialien und in der Optimierung komplexer Systeme erprobt. Sie bieten eine realistische Möglichkeit, die physikalischen Prinzipien des Quantencomputings schrittweise in bestehende Anwendungen einzubinden.

Zugang über die Cloud

Der Zugriff auf Quantencomputer erfolgt in der Regel nicht lokal, sondern über Cloud-Plattformen. Anbieter wie IBM, Amazon oder Microsoft stellen über ihre Portale den Zugang zu realen Quantenprozessoren und Simulatoren bereit. So können Forschungseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen bereits heute erste Anwendungen testen und Algorithmen entwickeln – auch ohne eigene Hardware. Diese Öffnung der Technologie trägt dazu bei, das Wissen über Quantencomputing zu verbreiten und neue Einsatzgebiete zu erschließen.

Fazit

Quantencomputer befinden sich auf dem Weg von der Grundlagenforschung hin zur praktischen Nutzung. Zwar ist der universell einsetzbare Quantenrechner noch Zukunftsmusik, doch zeigen sich bereits heute klare Anwendungsszenarien, in denen erste Prototypen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Die Entwicklung ist geprägt von tiefgreifenden physikalischen und technischen Herausforderungen, öffnet aber zugleich neue Perspektiven in der Berechnung hochkomplexer Probleme. Unternehmen, die frühzeitig Erfahrung sammeln und sich mit der Technologie vertraut machen, verschaffen sich einen wertvollen Vorsprung. Quantencomputer sind längst mehr als ein theoretisches Konzept – sie sind ein wachsendes Forschungs- und Entwicklungsfeld mit konkreten Anwendungen und richtungsweisenden Ergebnissen. Das, was heute realisiert werden kann, bildet das Fundament für viele technologische Neuerungen von morgen.